Russland, 16.02.42
Mein lieber Vater!
Nach vierzehntägigem Warten
erhielten wir vor drei Tagen endlich wieder Post. Es waren 5 Briefe von
Euch dabei, und zwar vom 20., 26., 14.Dez., 9.Jan. und Deiner vom
21.12.41.
Es hat mich ganz besonders gefreut, war es doch der erste, den ich im
Feindeslande von Dir bekomme. Recht herzlichen Dank dafür.
Als ich seinerzeit zur Batterie kam, wurde ich der Auswertestelle 3
(A3) zugeteilt. Sie ist A-Stelle und macht jeden Einsatz mit. Die
Hauptbeschäftigung dabei ist Wache schieben und Sicherung der anderen
A-Stellen. Nun konnten aber wegen Batterien- und Säuremangel bei den
letzten Einsätzen die Funkgeräte nicht verwendet werden. (Normalerweise
wird nur mit Funk gearbeitet). So waren wir gezwungen, Draht
(Fernsprecher) einzusetzen.
Mangel an Fernsprechern brachte nun mit
sich, dass wir vom A3 als solche herangezogen wurden. Mit Stahlhelm,
Gewehr und einer 40 Pfund schweren Kabeltrommel auf dem Rücken bauten
wir durch knietiefen Schnee die Strippen von der A-Stelle zu den
einzelnen Messstellen. Es waren Entfernungen von 6 – 11 km. Dazu kam
dann immer teilweise heftiges feindliches Artilleriefeuer und
einwandfreies Verhalten gegen Feindsicht. Nach dem Leitungsbau wurden
wir dann als Störungssucher verwendet Da kann es dann sein, man hat
zwei Stunden Ruhe und muss dann wieder los auf Suche, die Leitungen
sind meistens durchschossen, oder man hat länger frei eben je nach
Störung. Einmal war ich allein von 3 Uhr nachmittags bis 9 Uhr abends
unterwegs, und um 10 Uhr ging es schon wieder los bis früh 6 Uhr. So
geht es dann während des ganzen Einsatzes weiter. Dann erfolgte
Leitungsabbau und Weitervorrücken, wo dann sich alles wiederholt. So
ungefähr gestaltete sich mein Einsatz. Heute lässt es die jetzige
Stärke unserer Batterie zu, dass ich bei einem neuen Einsatz in der
A-Stelle tätig bin.
Lieber Vater! Ich möchte Dir jetzt etwas schreiben, das darfst Du aber
der lieben Mutter nicht sagen. Laut Wehrmachtsbericht toben in unserem
Frontabschnitt heftige Abwehrkämpfe. So waren auch wir gezwungen,
unseren Ort zwei Tage lang zu verteidigen. Dies war in der Zeit vom 10.
bis 12. Februar, nachdem unsere Batterie knapp 10 Tage vorher einer
Nachbar-B-Abteilung zu Hilfe eilen musste. Du weißt was es heißt, mit
der Waffe in der Hand und der Handgranate im Koppel einem mehrfach
überlegenen, mit Hurragebrüll anstürmenden Gegner entgegenzustehen.
Gerade dieses Hurragebrüll ist was Furchtbares für mich gewesen. Dann
pfeifen die Kugeln um Dich und neben Dir sinken Kameraden getroffen
zusammen. Das sind Augenblicke, die werde ich nie vergessen. Dabei
spielte sich alles bei Nacht ab, so gegen 0.45. Ich bin froh, dass ich
alles glücklich überstanden habe.
Nun möchte ich heute weiterschreiben. Gestern habe ich einen Streifzug
gemacht in den angrenzenden Wald, wo die gefallenen Russen liegen. Ich
habe
mir dabei ein paar Filzstiefel und graue Fausthandschuhe mitgenommen.
Sie sind innen aus Pelz und außen aus Segeltuch und geben herrlich
warm.
Unser Dorf, in dem wir sind, besteht aus ca. 23 Häusern, alle auf
einer Straßenseite. Wie solche Hütten aussehen, kannst Du Dir
jedenfalls noch gut vorstellen. Der Dienst besteht wirklich nur aus
Wache schieben. So alle 5 Stunden kommt jeder dran, und zwar eine
Stunde. In der übrigen Zeit wird so das Wichtigste erledigt. Dazu
gehört in erster Linie das Lausen. Dann schreibe ich Briefe sofern ich
Lust dazu habe, oder lese.
Überhaupt wird man hier so träge. Man mag manchmal gar nichts tun, ist
denkfaul und lebt eben so in den Tag hinein. Sonst geht es mir
gesundheitlich ganz gut. Als ich vor 2 Tagen Feldwache stehen musste,
sagte ein Wchtm. zu mir: “Rinker, Sie sind auch einer der Gesündesten
vom Ersatz, Sie sind auch immer dabei!” Das stimmt auch. Bei fast allen
Spähtrupps, die wir in den letzten Tagen machen mussten, war ich dabei.
Weißt, den anderen fehlt auch nicht mehr als mir, obwohl die fast immer
innendienstfähig geblieben sind. Sie melden sich eben krank mit
irgendeiner Beschwerde. So was nenne ich aber Drückebergerei und das
kann ich nicht ausstehen. Zu was stehen wir den hier im Osten als
Soldat. Und wenn ich einmal heimkomme, dann möchte ich mit gutem
Gewissen sagen können:”Ich habe meine Pflicht erfüllt.”
In diesem Sinne möchte ich
schließen und Dich und alle recht herzlich grüßen.
Dein Kuno
Schreibe bitte wieder einmal!
07.03.42
Meine Lieben!
Fahrzeugmangel (aber nur
vorläufig) und damit gleichzeitig auch Platzmangel für Gepäck haben
einen Befehl hervorgerufen, dass sämtliches, nicht mehr nötiges Gepäck
aller Art nach Hause geschickt werden soll. Um nun all meine im Laufe
der Zeit zugelegten Sachen im Tornister verstauen zu können, habe ich
mich entschlossen, diese Gegenstände heimzuschicken. Es ist ja nicht
mehr so kalt, so dass ich sie gut entbehren kann.
Seid aber mit dem Pullover und den Pulswärmern vorsichtig. Werft sie
vom Papier aus gleich in Wasser und kocht sie gut durch. Dann gehen die
Läuse vollends kaputt, die eventuell noch drin sind.
Habt ihr die beiden anderen Päckchen schon erhalten? Das große braune
Stück ist echt russisch, wie wir sie des Öfteren gefunden haben aber
leider wegen Platzmangel nicht in genügenden Mengen mitnehmen konnten.
Dann heißt’s bei solchen Sachen: verteilt!
Das Büchlein hat mir Onkel Reinhold einmal geschickt. Ich habe die
Gedichte alle schon durchgelesen. Außerdem haben wir ja das gleiche
auch zu Hause.
Heute haben wir wieder ganz nettes, warmes Wetter; klarer Himmel und
strahlende Sonne.
Wie ich Euch ja gestern schon geschrieben habe, kommen wir zurück und
zwar in die Gegend zwischen Smolensk und Minsk. Wann ist noch nicht
bekannt, aber 14 Tage steht es nicht mehr an. Glaubt mir, dass wir alle
sehr froh darüber sind.
Nun viele herzliche Grüße
Euer Kuno!
Russland, 09.03.42
Lieber Vater!
Wiederum ist bereits ein Drittel
des neuen Monats abgelaufen. Jeder beginnende Tag bringt uns dem
kommenden Frühjahr näher. Wir alle erwarten es mit großer Spannung, und
dabei erhebt sich bei uns die große Frage: „Sind wir wieder mit dabei?“
Es ist klar, dass wir bis jetzt sehr viel mit- und durchgemacht haben
und wohl verdient hätten, sei es auch nur für kurze Zeit, irgendwo
weiter zurück in Ruhe zu kommen. Eigentlich sollte ja dieser Ort für
uns die nötige Entspannung bringen. Leider ist gerade das Gegenteil
eingetreten. Es sollte die schwerste Zeit werden, die unsere Abteilung
seit Bestehen erlebt hat. Dabei sind wir aber in der Nähe von Wjasma.
Ich bin froh, diese Tag glücklich überstanden zu haben.
Heute kam dann auch der Lohn für unser tapferes Verhalten, das vom
Kommandeur besonders anerkannt wurde. Zwei EK 1, 5 EK 2 und einige
Beförderungen sind das äußere Kennzeichen dafür. Ich habe hier leider
Pech gehabt, da mein Gruppenführer bei einem der Gefechte verwundet
wurde und dadurch niemand da war, der unsere Leistung vertrat, die von
einem Hauptmann einer benachbarten B-Abteilung besonders Lob erntete.
Nun muss ich aber eine Pause einlegen, denn die Postenpflicht ruft mich
für die nächsten 2 ½ Stunden ans MG. Wir haben es in einem Raum einer
Hütte in Stellung gebracht, die Fugen zwischen den einzelnen Balken mit
Stroh verdichtet und einen kleinen Ofen eingebaut, der eine wohltuende
Wärme ausstrahlt. Bei Nacht stehen Doppelposten, tagsüber Einzelposten.
Zweimal komme ich in der Nacht dran. Erst 2 ½ Stunden, und dann nach
vierstündiger Pause nochmals 2 Std. 10 Min. Diese vier Stunden sind
meine Nachtruhe. Dafür komme ich aber tagsüber nur einmal 1 Std.40 Min.
dran.
Der Blick geht westwärts. Im Vordergrund so etwa 400 m entfernt
zieht sich anschl. an eine Ebene ein langer Streifen mit Kuscheln. Es
ist dies so einzelnes Gestrüpp, Büsche und kleine Tannen. Unmittelbar
dahinter steht den Horizont verdunkelnd als Abschluss die große,
schwarze Wand eines dichten Waldes. Vor vier Wochen noch konnte hier in
jeder Minute der Gegner hervorbrechen, der sich seit längerer Zeit drin
verborgen hielt.
Mit dem MG habe ich mich seit meinem Hiersein besonders vertraut
gemacht, und wenn heute MG-Wache gestellt wird, kann ich beinahe 100%ig
mit meinem Dabeisein rechnen.
Wenn ich so über die letzten Wochen nachdenke, so stellt sich mir ganz
klar und deutlich heraus: jeder Soldat, ob B-Mann, Artillerist,
Flugkanonier, usw. kann im Kriege in die Lage kommen, sich gleich
Infanteristen verteidigen oder angreifen zu müssen. Derjenige, der nun
von diesem Gebiete, und sei es auch nur eine kleine Ahnung hat, besitzt
schon einen großen Vorteil. Wenn ich dann weiterdenke, so kommt mir
erst recht zum Bewusstsein, was der Geländedienst in der HJ,
Wehrmannschaft und SA für einen großen Wert besitzt; gerade für
diejenigen, die einmal nicht als Infanteristen eingezogen werden.
Wenn
wir schon bei der Infanterie sind: du hast voll und ganz recht, wenn Du
mir schreibst, dass der Krieg für die Infanterie am härtesten ist. Ich
habe dies ja am eigenen Leibe erfahren; und weiter weiß ich jetzt auch
Eure große Leistung zu schätzen, die Ihr im Weltkriege vollbracht habt.
Nun muss ich aber an den Schluss denken, denn nachher fahren wir mit
Skiern in den nahen Wald rüber und holen russische Munition, die die
Russen in großer Zahl zurückließen. Wir können sie gut für unsere
erbeuteten MGs gebrauchen.
In der großen Hoffnung, dass dieses
Jahr hier die endgültige Entscheidung bringen möge, grüßt Dich aufs
Herzlichste
Dein Kuno
Viele Grüße auch an Mutter. Gisela und Gudrun.
Russland, 14.03.42
Meine Lieben!
Gestern war wieder einmal
Postempfang. Er findet wirklich zu ganz unregelmäßigen Zeiten statt. So
kommt es, dass ich von Euch immer gleich ziemlich viel erhalte. Dies
freut mich aber umso ärger. Ich erhielt von Euch Päckchen Nr. 4 vom
20.11.41. Die Turnschuhe waren drin und dies ist wohl die beste Art von
Hauschuhen für hiesige Verhältnisse. Dann die Salbe vom 21.02 und der
Wäschebeutel, den Du, liebe Mutter, ganz erstklassig gemacht hast.
Weiter erhielt ich 10 Briefe mit Daten vom 11.02. bis 25.02. Ich danke
Euch recht herzlich dafür, denn es hat mich wiederum ganz riesig
gefreut.
Dass Ihr solange auf Post habt warten müssen, hing mit den
militärischen Ereignissen des Monats Dezember zusammen. Ich habe mich
seit meines Hierseins immer bemüht, Euch zu schreiben so oft es geht.
Leider war es mir aber manchmal längere Zeit nicht möglich. Wenn ich
dann aber Zeit gehabt hätte, dann war ich aber oft so froh, dass ich
mich wenigstens wieder einmal ausruhen konnte, denn meistens waren dann
immer anstrengende Tage vorüber, die auch noch mit sich bringen, dass
man seine Gedanken sehr schwer zu einem einigermaßen anständigen Briefe
sammeln kann. So könnt Ihr vielleicht ein längeres Schweigen
entschuldigen, und wenn ich vielleicht manchen Brief langweilig oder
nicht gut geschrieben habe oder noch schreiben werde, so hängt das
alles damit zusammen.
Nachdem in den letzten Tagen die Kälte hauptsächlich tagsüber merklich
nachgelassen hatte, fegt seit vorgestern wieder einmal ein Schneesturm
von ungeheurer Stärke. Laufgräben, mit einer Höhe von 1 ½ bis 2 m sind
in ein paar Stunden eingeebnet. Gegen den Wind bewegen erfordert einen
nicht zu kleinen Kraftaufwand, aber was macht so was einem schon noch
aus. Der Rest des Winters kann uns doch nichts mehr antun. Ihr schreibt
von über -20°C bei Euch zu Hause. Voriges Jahr wäre ich bestimmt keinen
unnötigen Schritt aus dem Hause gegangen und heute ist für uns ein
-25°C-Tag schon ein warmer Tag. Ja, ja, die Zeiten ändern sich. Ich
glaube, wenn heute der Krieg einmal zu Ende ist, verdienen die
Schneider in manchen Gegenden an Wintermänteln nicht mehr viel.
Zur Zeit wird unsere Abteilung neu zusammengestellt. Aus ihr wird eine
leichte B-Abteilung; d.h.: sie wird zahlenmäßig (dies betrifft den
Mannschaftsstand) herabgesetzt. Dies wiederum geschieht dadurch, dass
alle, die irgendein Leiden haben, oder die wirklich schwer erkrankt
sind, z.B. Erfrierungen, in die Heimat oder in rückwärtiges Gebiet
kommen. Ersatz für die kommt dann nur noch in ganz beschränktem Maße.
Dieser verkleinerte „Haufen“ schreitet wieder zu neuen Taten. Ich bin
nun endgültig in eine Auswertestelle, und zwar in A.2, eingeteilt
worden. Ich bin sehr froh darüber, denn nun habe ich endlich meinen
ständigen Posten.
Leider muss ich aber die für Euch bestimmt freudige und beruhigende
Mitteilung in meinem letzten Brief als ins Wasser gefallen melden. Ein
neuer Einsatz ist uns heute angekündet worden. Er geschieht, im
Gegensatz zu den letzten 8 Wochen, wieder auf unserem Gebiet und zwar
wieder vorne. Wir haben es schon lange geahnt, weshalb es uns auch
nicht überrascht hat. Ich selbst mache natürlich gerne mit, denn es
geschieht in der großen Hoffnung, dass es zum letzten Male mögen werde,
und dass dieses Jahr die Entscheidung über diesen Feldzug bringt. Es
ist auch so: letzten Endes sind wir als aktive Einheit doch so lange
mit dabei, bis dieser Feldzug entschieden ist. Uns ist es nun lieber,
wenn wir nicht herausgezogen oder gar in Urlaub geschickt werden, denn
mit der Tatsache gehen, dass man wieder hier her muss, nein, schon
lieber beißen wir in den sauren Apfel und bleiben da, als nachher
wieder her zu müssen.
Vorgestern sind wir in ein anderes Haus
umgezogen. Insgesamt zählen wir einen Unteroffizier und 7 Mann. Jeder
hat seine selbstgebaute Falle. Es lässt sich so ganz gemütlich leben,
denn Platz ist genügend vorhanden. Die Tätigkeit setzt sich aus Wache
schieben zusammen. Heute Nachmittag hatten wir Unterricht. Wirklich
können wir uns doch wieder ein wenig ausruhen und entspannen, denn die
Gefahr der letzten Wochen wurde durch das Eingreifen einer
Panzerdivision gebannt.
Seit langer Zeit habe ich mich heute auch wieder einmal vom Scheitel
bis zur Fußsohle gewaschen. Das war eine Wonne. Danach kam dann frische
Wäsche, die ich vorher mit dem Läusepulver eingepudert habe. Es kam
auch gestern an. Wenn ich einen Erfolg zu verzeichnen habe, was
hoffentlich der Fall ist, dürft Ihr mir nochmal welches schicken. Ich
bin gespannt, wie viel „Abschüsse“ ich in den nächsten Tagen verbuchen
kann.
Was meine Gesundheit anbetrifft, so braucht Ihr absolut keine Bedenken
haben. Mir fehlt rein gar nichts. Ich habe wirklich einen furchtbar
großen Appetit wie noch höchst selten. Täglich mache ich mir meine
Bratkartoffeln und als mir neulich einmal Marmelade bekamen, da klappte
natürlich der Laden voll und ganz. Eine ganze Pfanne voll musste dran
glauben.
Unser Russe, der hier im Haus ist, war im Weltkrieg in deutscher
Gefangenschaft. Er spricht einige Brocken deutsch. Den haben wir auch
gefragt, wann der Winter abzieht, wann es wieder warm wird. Er sagte
dann, dass sie am 20. April so durchschnittlich jedes Jahr die
Kartoffeln säen. Immerhin ein guter Trost; denn dann hätten wir’s ja
bald vollends geschafft.
Dass Hans Renner nochmals nach Russland muss, bedauere ich sehr. Ich
würde jedem, der schon einmal hier war, das nicht wieder Herkommen
gönnen.
Dem lieben Vater zur verdienten Beförderung meine herzlichsten
Glückwünsche. Möge es noch nicht die letzte sein, gell, liebe Mutter.
Den Brenztalboten erhalten ich bei jedem Postempfang. Da kommen aber
immer mehrere zugleich angetrudelt. Gestern waren es genau 20 Stück.
Erwin Mooser hat mir gestern auch geschrieben. Das hat mich gefreut.
Dann war noch Familie Ortlieb und Brenner mit je einem Brief vertreten
und die Nürtinger mit einem 50-g-Päckchen. Onkel Reinhold schreibt
immer ganz schöne Zeilen dazu.
Besondere Wünsche habe ich
augenblicklich nicht. Ja, Feuersteine und Tinte ist jetzt das Einzige.
Aber mit Tinte wird es eben auch seine Haken haben. Sie ist
wahrscheinlich vorläufig noch für das zugelassene Gewicht zu schwer.
Aber ich denke, dass die Bleistiftschrift noch lesbar ist, wenn sie
ihren langen Weg zurückgelegt hat. Mit Briefpapier habe Ihr mich nun
wieder für absehbare Zeit versorgt und ich werde versuchen, Euch recht
oft zu schreiben.
Es ist jetzt gerade kurz vor 9 Uhr. 9 Uhr 30 muss ich aufziehen bis
11.30. Dann komme ich wieder dran von 4.30 bis 6.00. Bei Tag stehe ich
einmal 1 Std. Um nicht zu spät zu kommen, wünsche ich Euch allen heute
schon recht schöne fröhliche Ostertage.
Seid nun alle recht herzlich
gegrüßt von
Eurem Kuno!
Russland, 30.03.42
Liebe Gudrun!
Auch Dir möchte ich heute auf
Deine lieben Briefe, die ich nun schon von Dir erhalten habe,
schreiben. Sie haben mich alle sehr gefreut. Ich danke Dir recht
herzlich dafür.
Die Bildchen, die Du mir einmal beigelegt hast, sind ganz wundernett.
Paul wurde von manchen meiner Kameraden beneidet.
Du hast einmal
geschrieben, dass Ihr mir im Stillen so einen kleinen Heimatschuss
wünschen würdet. Das wäre mir gar nicht so recht, denn erstens habe ich
diesen harten Wintereinsatz mitgemacht und möchte doch auch sehen, wie
so ein Vormarsch abläuft, und dann, das Empfinden habe ich im Laufe der
5 Monate bekommen, wird hier ja jedermann so notwendig gebraucht.
Erstens kostet so ein Verteidigungskampf Verluste an Toten und
Verwundeten, vielleicht in größerem Maße als beim Vormarsch, und
zweitens hatten wir viele Ausfälle allein durch Erfrierungen und
Erkrankungen. Oh ja, ich würde gerne mal wieder für ein paar Wochen bei
Euch sein, aber wenn es mir dann auch geht wie so vielen anderen, dass
ich nachher wieder hierher muss, dann würde die Freude doch eben
darunter leiden.
Zur Zeit sind wir unweit der großen Straße (Rollbahn) Smolensk-Wjasma,
und zwar in einem kleinen Dorfe. Wir stehen wieder mitten im Einsatz,
aber dieses Mal wieder auf unserem Gebiete. Dazwischen benütze ich jede
Gelegenheit, die sich mir bietet, um Briefe zu schreiben. Dann habe ich
noch eine mehr oder weniger schöne Nebenbeschäftigung erhalten. Ich bin
nämlich seit vier Tagen Leutnantsbursche. Es ist dies unser
Planoffizier, der die A-Stelle führt. Bis jetzt macht es mir eigentlich
Spaß. Was da für Arbeiten zu verrichten gibt, kann Dir Vater am besten
sagen.
Sonst geht es mir ganz gut. Was meine Gesundheit anbetrifft, ist
auch alles in bester Ordnung. Obwohl das Essen wirklich ganz gut ist,
muss ich halt dauernd „Kohldampf“ schieben. Solchen Appetit habe ich
die ganzen 20 Lenze noch nie gehabt.
Warst Du auch irgendwo auf der
Konfirmation? Ich wäre dieses Jahr mit wachsender Begeisterung einer
Einladung gefolgt. War es bei H. Renners schön? Weißt bei der „Visite“?
Aber ich darf ja gar nicht dran denken, sonst komme ich in Versuchung
mein Brot vollends ganz aufzuessen und muss morgen von Luft und Liebe
leben.
Den Süßstoff, den ich schon manchmal bekam, konnte ich sehr gut
gebrauchen. Der Brief mit Kamm und Taschentuch ist auch eingetroffen,
ebenfalls Zigaretten, Honig, Salbe und Süßstoff. Der neueste Brief war
der von Vater vom 06.03. Dann waren beim letzten Postempfang wieder 18
Brenztalboten dabei.
Sonst weiß ich für heute nichts mehr.
Ich wünsche Dir recht fröhliche und schöne Ostertage, so wie allen
anderen. Lasst Euch Backwerk und Kaffee gut schmecken und freut Euch,
dass Ihr dies noch tun könnt.
Es grüßt Dich recht herzlich,
Dein Kuno
Grüße auch Vater und Mutter und Gisela.